Nach einer schwierigen Kindheit erhielt er 1944 eine Lehrstelle zum Schmied und arbeitete in einer Schlosserei. Nach dem zweiten Weltkrieg war er einige Zeit in der Textilbranche tätig.
In München besuchte er die Akademie der Bildenden Künste, jedoch wurde ihm "mangelnde Begabung zugeschrieben. Dennoch arbeitete er als freischaffender Künstler weiter.
1960 veröffentlichte er sein erstes Kinderbuch Die Geschichte von Valek dem Pferd, 1970 sein erster Roman Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm.
Er gewann an Popularität, so wurden in den 80ern einige seiner Werke fürs Fernsehen produziert.
2010 kündigte Janosch an, keine Bücher mehr schreiben zu wollen, sondern nur noch "zu reisen und in der Hängematte zu liegen". Fernab davon wäre er sebst "ohnehin unbegabt".
Ein Huhn verspürte große Lust
unter den Federn in der Brust,
aus Liebe dem Freund, einem Hahn zu schreiben,
er solle nicht länger in Düsseldorf bleiben.
Er solle doch lieber hier - zu ihr eilen
und mit ihr die einsame Stange teilen,
auf der sie schlief.
Das stand in dem Brief.
Wir
müssen noch sagen: Es fehlte ihr an gar nichts.
Außer an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.
Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei.
Außer an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.
Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei.
Ich möchte mich an dieser Stelle nicht nur als Liebhaber der Lyrik deklarieren, sondern auch meinen Hang zur Melodramatik bekundigen, im Speziellen - natürlich - wieder im Bezug auf die Liebe, wie könnte es anders sein. Ohne Scham kann ich zugeben, Werken aus diesem Themenbereich einen nicht unbedeutenden Teil meiner Zeit gewidmet zu haben. Doch ich muss sagen, selten so mit dem Protagonisten/der Protagonistin gelitten zu haben, wie ich es mit diesem verliebten Huhn tat.
Jeder sollte dies doch kennen. Wir besinnen uns unserer Gefühle, versuchen, sie einzufangen wie Schmetterlinge auf einer Blumenwiese. Bevor wir sie weitergeben, müssen wir zuvor zu ihnen stehen, müssen eine verletzbare Stelle preisgeben, müssen zeigen, dass wir in der Lage sind, offen zu unserer "Schwäche" zu stehen.
Dann bringen wir unsere Worte zu Papier. Bei den Einen sind das nur ein paar, die jedoch an Klarheit und Direktheit meterlange Aufsätze übertreffen können. Bei den Anderen verbergen sich in genannten Aufsätzen 1000 verschiedene Eingeständnisse, Bekennungen, Offenlegungen, die in ihrer Gesamtheit doch nicht mehr aussagen, als es ein einziger Satz nicht auch schon getan hätte. Ich bekenne mich schuldbewusst als einer, der sich zu oft in Worten versteckt, die er selbst aufstellt.
Egal, was wir schreiben, wie wir es schreiben, womit wir es schreiben: Letztlich ist unsere Botschaft filigran wie ein rohes Ei. Wir können es mit noch so viel Entschlossenheit, Zuversicht und Optimismus beschreiben, es bleibt so zerbrechlich wie auch schon davor. Nun bringen wir unser behütetes Ei zur Post. Wenn gerade Winter ist, tragen wir es vielleicht gut gepolstert in unserer Manteltasche, haben unsere Hand sanft darüber gelegt, um es zu schützen, zu behüten. Vor jedem Zebrastreifen vergewissern wir uns lieber noch einmal, ob die Straße wirklich bis zum Horizont frei der "potentiellen Eizerstörer" ist, durch dichte Fußgängerzonen schlängeln wir uns behutsam und vorsichtig, und selbst, als wir uns kurz eine Leberkässemmel zur Wegzehrung kaufen, bleibt das Liebesbrief-Ei in unserer sicheren Hand.
Und dann ist er da, der große Moment. Langsam öffnen wir die Türe der Postfiliale. Über uns erklingt das Türglöckchen, wir werfen einen Blick zu dem grimmig aussehenden Postbeamten auf seinem Thron. Er wirft keinen zurück, sei es, weil Oma Agathe ihren Enkelkindern ein Paket mit Essensvorräten, mit denen genannte locker einen 3ten Weltkrieg überleben würden, aufgeben möchte, oder doch nur die tiefe Verachtung des Beamten gegenüber jedem lebendigen Wesen?
Vermutlich beides.
Wir reihen uns hinter hinter Agathe ein. Uns wird die Ehre zuteil, ihren Erzählungen über ihre Enkelchen lauschen zu dürfen. Da gäbe es Rudolf, oder Rudi, 13 Jahre alt, ganzer Stolz seines Fußballvereins. Wenn man der aufgeregten, stolz verlautbarenden Stimme seiner Großmutter folgt, möchte man fast meinen, es handle sich hier um das größte Ballwunder seit Maradona. Obwohl Maradona vielleicht nicht gleich geweint hätte, wenn er das zweite Eigentor in Folge geschossen hätte.
Desweiteren wäre da Angie, oder Angelika, anscheinend noch im Krabbelalter. In unserem Kopf säußelt Mick Jagger leise ihren Namen und, wann die Wolken wohl verschwinden mögen, während sich Agathe über diese furchtbaren "amerikanischen Anglizismen" (unser ethnisches Highlight des Tages) aufregt. Wenn man "Äinschi" dieses Makel durchgehen lässt, scheint jedoch auch sie die Inkarnation der Perfektion zu sein. In Form eines dauerschreienden, bulimischen und chronisch inkontinenten Babys.
Gerade beginnt Agathe mit der Lebensgeschichte von Bertram, oder Bertl - sofort tanzt Onkel Dagobert vor unserem geistigen Auge herum, mit seiner Oma Agathe -, doch der Beamte verkündet wortkarg, aber lautstark, es dürfe nun der Nächste seine Lebensgeschichte erzählen, während er selbst Kekskrümel, die aus Agathes undichtem Paket rieselten, von seinem Arbeitsplatz wischen darf. Wir lassen uns dieses Angebot nicht entgehen, wenngleich wir uns bewusst sind, die vorherigen Erzählungen der liebenden Großmutter nicht übertreffen zu können. Niemals.
So offenbaren wir nicht mehr als unseren Namen und unsere Absicht. Der Beamte nickt geistesabwesend, bittet um das Geschenk der Unterschrift und eine milde Gabe, damit er unser Ei mit einem Bildchen verzieren darf. Wir sind verliebt, wir sind Gönner, wir überreichen bereitwillig Signatur und Münzen. Leidend dürfen wir mitansehen, wie Dietmar - wir können diesen Mann nicht länger als "Beamter" in unseren Köpfen leben lassen - seine Zunge über die Rückseite des eben bezahlten Bildchens gleiten lässt, und dieses dann auf unser Ei pappt.*
Eigentlich hätten wir nun merken sollen, dass dieses Etablissement nicht unsere Absichten im Bezug auf die Pflege des Eies teilt, so grob befestigte Dietmar die Marke auf unserem Ei. Es blieb unbeschadet, unsere Psyche nicht. Schwitzend wünschen wir ihm viel Erfolg auf seiner Reise, und verabschieden es. Und das Drama soll seinen Höhepunkt feiern.
Wir erstarren. Unser Herz beendet seinen Takt abrupt, unsere Atmung mit ihm. Die Kinnlade fällt zu Boden, und als wir langsam begreifen, was passiert ist, auch die erste Träne. Dietmar wollte uns seinen Segen geben, dem Ei, meiner Geliebten und mir. Er machte dies jedoch auf seine formelle Art und Weise, als Beamter ja fast seine Pflicht, mit einem Stempel. In sein Tintenbett gedrückt hatte er ihn, hatte ausgeholt, und - unsere Verletzlichkeit unter Beweis gestellt.
Dietmar hatte nicht reumütig gewirkt, vielmehr eher erbost darüber, dass er nach großmütterlichen Kekskrümeln nun auch Eierspeiß von seinem Schreibtisch wischen durfte. Wir wollten uns seine Reinigungskünste jedoch nicht ein weiteres Mal ansehen, verließen die Filiale und trotteten nach Hause. Unsere Augen waren deshalb rot, weil der Wind so stark wehte. Oder weil eine Fliege hineingelangt war, oder zwei. Oder vielleicht hatte sich die chronische Bindehautentzündung gemeldet.
Im Nachhinein hätten wir Dietmar vielleicht danken können. Vielleicht. Vielleicht hat er uns ein viel größeres Unglück erspart. Vielleicht hätte die, die "beeiert" hätte werden sollen, genanntes noch grausamer behandelt. Es ist sinnlos, darüber nachzudenken. Eines erschien uns jedoch so klar wie sinnreich: In Zukunft werden wir unsere Eier lieber mit Speck anbraten, als zu beschriften.
*Hier distanziere ich mich ob der Dramatik ein wenig des Gedichtes.
du hast mich gerade zum weinen gebracht.
AntwortenLöschenGeh Hasi...
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