Langsam lichten sich die Reihen, das Festival geht mit läppischen 10 Stunden Verspätung zu Ende. Geschichte wurde geschrieben, Rekorde wurden gebrochen, Karrieren wurden begonnen, 3 Kinder wurden geboren. Die Gründer des Festivals zahlen tausende Dollars an Busgeld für diverse Schäden, welche die Menge zwangsläufig hinterlassen hat.Aus dem einst grünen Acker ist ein braunes Matschfeld mit Tonnen von Müll geworden, welches von etlichen Freiwilligen gesäubert wird.
Zwar eröffnet die Paul Butterfield Blues Band den Montag nicht offiziell, da er ja ursprünglich nie als Programmtag vorgesehen war, dennoch kann man erahnen, dass zumindest ein "Good morning!" zu hören war, als ihr Auftritt um 6:00 beginnt. No Amount of Loving sowie Love March sorgen dafür, dass wieder einmal keine Ruhe für die müde Menge aufkommt, "hellwache Musik" sozusagen.
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| Sha Na Na |
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| God himself |
Auf dem Diskset findet sich ein Ausschnitt aus seinem berühmten Woodstock Jam: The Star Spangled Banner/Purple Haze. Dies ist nicht ganz korrekt betitelt:
- Der Ausschnitt beginnt bei der Coda von Voodoo Child: Slight Return, dem Song vor The Star Spangled Banner.
- Die Aufnahme endet nicht nach Purple Haze, sondern...
- ... geht in Villanova Junction über, einen blueslastigen Jam, welcher Jimis letzte Nummer war, bevor er seine Zugabe spielte. Dennoch...
- ... fehlt zwischen Purple Haze und Villanova Junction Jimis berühmte 4-minütige Woodstock Improvisation, ebenfalls ein "Wild Jam".
Als Jimi die letzten Akkorde von seiner Zugabe Hey Joe spielt, lauschen nur noch einige Tausend vor der Bühne. Viele mussten gezwungenermaßen das Festival bereits verlassen und ins normale Leben zurückkehren, viele wollten einem weiteren Stau entkommen. Chip Monck, einer derer, die immer wieder Durchsagen von der Bühne gaben, bedankt sich inständig beim Publikum. Die freiwilligen Helfer tragen den Müll zusammen und formen daraus ein gigantisches Peace-Zeichen, bevor sie ihn wegführen lassen.
Wavy Gravy (once again, eigenartige Künstlernamen), fasste das Ereignis zusammen: "Let's face it: Woodstock was created for wallets. It was designed to make bucks. And then the universe took over and did a little dance."
FAZIT & BEWERTUNG
Bei den Veröffentlichungen historischer Ton- und Filmdokumenten, die sich vor allem durch ihren Namen verkaufen, ist stets Vorsicht geboten. Die Zielgruppe für ein Produkt wie dieses mag keine allzu große sein, jedoch eine, die vermutlich bereit wäre, sich mehr oder minder bewusst abzocken zu lassen, wenn es ums "haben oder nicht haben" geht. Als Verehrer des Woodstock Music & Arts Fair war der Kauf für mich selbstredend keine schwere Entscheidung, allerdings wäre es dennoch durchaus adäquat, das Produkt "Woodstock: 40 Years On: Back to Yasgur's Farm" möglichst sachlich - es wird mir nicht gelingen - in einem eigens erstelltem Punktesystem bestehend aus 5 Kategorien mit der Höchstwertung 100 analysieren:
Umfang (25 Punkte): Zuerst muss man anmerken, dass das Produkt nach dem Vorbehalt, es wolle einen möglichst vollständigen Überblick über das Festival bieten, bewertet wird. Würde man alle Auftritte - vorrausgesetzt, es wäre alles aufgenommen worden - in einem Box-Set veröffentlichen, wären das wohl 30CDs. So "gigantisch" die 6 Disks in diesem Set im ersten Moment auch wirken möchten, bekommt man doch nur einen Überblick über das Festival. Allerdings einen umfangreichen, denn momentan gibt es keine größere Edition.
Stolze 76 Titel von 29 Interpreten (wenn man die Solo-Performance von Country Joe McDonald als eine eigenständige betrachtet, sind es 30) finden sich auf den Disks. Stundenlanges Hörvergnügen ist garantiert, und man bekommt einen guten Eindruck von fast allen Acts. Außerdem finden sich 19 eingespielte Ansagen zwischen den Songs eingestreut, wodurch man insgesamt auf 95 Tracks kommt. Dazu aber mehr in "Extras".
Wehrmutstropfen sind die 3 nicht Präsenten, Keef Hartley Band, Ten Years After und The Band. Während man das Fehlen der Keef Hartley Band entschuldigen kann, da das Material, welches nur dürftig vorhanden zu sein scheint, unter Verschluss gehalten wird. The Band ärgert hier schon mehr. Zwar gibt es berechtigte Zweifel daran, ob es sich um gute Aufnahmen handelt, jedoch wäre ob der Berühmtheit des Ensembles zumindest ein Titel kein Verbrechen gewesen.
Wirklich ärgerlich ist, dass man vergeblich nach Ten Years After sucht. Diese gehören praktisch auf jedes vernünftige Woodstock-sample, und ein Rechtsstreit ist in diesem Fall keine Ausrede.
Deshalb sowie aufgrund einiger Titel, die mir persönlich noch gut gefallen hätten, jedoch nicht vorhanden sind:
21 Punkte
Musikalische Performance (20 Punkte): Dem Mythos Woodstock wird oft zugeschrieben, die "Qualität" vieler Darbietungen zu erhöhen. Dies kann man auf 2 Arten sehen:
- Die Athmosphäre in Verbundenheit mit der schon damals erahnbaren geschichtsträchtigkeit des Ereignisses, intensiviert durch Drogengebrauch, habe die auftretenden Künstler zu musikalischen Höchstleistungen bewegt.
- Mittelmäßige Darbietungen gewinnen an Wert, wenn sie "Woodstock" als Aufnahmeort angegeben haben.
In Summe und vor allem auch in Hinblick darauf, dass das Set Wert auf einem möglichst breiten Überblick legt, sowie viel Spaß an den vielen Malen, die ich mich schon durchhörte:
18 Punkte
Soundqualität (20 Punkte): Jeder noch so geniale Track leidet, wenn er in 16 kBit/s wiedergegeben werden muss. Die Soundqualität dieses Albums muss man aus mehreren Blickwinkeln betrachten.
Natürlich sind besonders im Hinblick auf das Alter der Aufnahmen selbige in sehr guter Verfassung. Größtenteils ist der Sound kristallklar, mit einem guten Mix aus Höhen und Tiefen, mit Fokus auf den Mitten. Vereinzelt stört ein Summen um Hintergrund, dies aber wirklich nur bei 2, maximal 3 Titeln.
In wenigen Songs, beispielsweise Coming Into Los Angeles von Arlo Guthrie oder No Amount Of Loving von The Paul Butterfield Blues Band, ist aufgrund defekter (?) Mikrophone der Gesang nur leise zu hören. Auch wenn sonst ein Helikopter mal über die Bühne flog, oder die Gitarre etwas mehr Feedback gab: Man hört es. Ist das gut?
Meine Antwort: Ja. Denn hier hört man die Aufnahmen, wie man sie wohl auch zum damaligen Zeitpunkt live hörte. Sie mögen nicht perfekt sein, jedoch wesentlich besser und "originaler", als wären sie durch stundenlanges Verfälschen durch Soundbearbeitung im Studio zwar auf Hochglanz poliert worden, hätten dann aber nur noch wenig mit dem Original zu tun.
Wegen dem ehrlichen Sound und dem fantastisch zugespieltem Publikum vielleicht überbewertete:
20 Punkte
Auch hier muss ich wegen Obigen sowie den außerdem sehr schönen und zahlreichen Bildern die Höchstpunktzahl vergeben:
20 Punkte
Extras (10 Punkte): An sich haben diese ja nichts in einer Musikrezension zu suchen, aber ich muss sie dennoch erwähnen:
Als Extra sehe ich u. A. die 19 Ansagen und anderen nicht-musikalischen Aufnahmen an, die gekonnt zwischen den Songs platziert wurden. Man hört von "bad acid", Geburten, Heiratsanträgen, benötigter Asthmamedizin oder Instruktionen zum Schlafen oder Essen bis hin zu Max Yasgurs Rede. Das sorgt dafür, dass man sich fast "vor Ort" fühlt.
Auch das Booklet ist ein Hauptgewinn: 76 Seiten dick, auf diesen eine Einführung und "Blick hinter die Kulissen" der Produktion des Disksets, Bilder von jedem Auftritt, ein Haufen Zitate sowie ein Artikel zu jedem Tag des Festivals. Auf hochwertigem Papier überzeugt diese Zusammenstellung jeden Fan zweifelsfrei.
Hier werden es nicht weniger als :
10 Punkte
Kultfaktor (5 Punkte): Tja, was kann man dazu noch sagen... :)
5 Punkte
Dies addiert sich zu insgesamt vollständig objektiven 94 Punkten.
Preis/Leistung (Schulnoten mit Vorzeichen): Zum jetzigen Zeitpunkt (20.08.2013, 17:45) kostet das Set auf Amazon 68,99 Euro versandkostenfrei. Ich selbst habe in Erinnerung, es für 1 oder 2 Euro billiger bestellt zu haben, wer spart, beobachtet also die Preisentwicklung, ich gebe dem aktuellen Preis die Note
1-
mit dem persönlichen optimalen Preisvorschlag von 60,00 bis 62,00 Euro.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Fragen, Meinungen und Verbesserungsvorschläge (ha, ha) sind in den Kommentaren gerne gesehen!


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