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Sonntag, 18. August 2013

Back to Yasgur's Farm: Samstag

http://www.celticguitarmusic.com/Backgrounds/bkgds/woodpic1.gifHunderttausende schlafen/trippen unter freiem Sternenhimmel. Stündlich wird die Menge größer. Samstag ist der Tag vieler großer Interpreten, mit einem Musikprogramm, das nicht enden will. Bis in die Morgenstunden des Sonntags wechselt eine Band mit der anderen, Leure verloben sich über Durchsagen, Kinder werden geboren.


Um 12:15 eröffnen Quill Tag 2 des Festivals. They Live The Life und That's How I Eat hätten ohne Frage eine Präsenz im Woodstock-Film verdient, leider sorgen technische Schwierigkeiten für nicht verwertbare Filmaufnahmen, was die Band wohl vom großen Durchbruch abhält.

County Joe McDonald (auf der Parade der seltsamen Künstlernamen ganz oben) hingegen wird zu einem der großen Stars des Festivals. Eigentlich ist er mit seiner Band erst für Sonntag geplant, doch da diverse andere Künstler im größten Stau des Jahrhunderts feststecken, darf er als Lückenfüller um 13:00 seinen ersten Auftritt machen. Mit Country hat seine Playlist nicht viel zu tun, wie beispielsweise Donovan's Reef zeigt. Jedoch hingegen weltberühmt ist seine auch im Film vorkommende, geschichtsträchtige Performance des I-Feel-Like-I'm-Fixin'-To-Die Rag (Video unten), eine der Hymnen gegen den damaligen Vietnamkrieg. Eingeleitet wird der Song mit dem legendären und kontroversen "Fuck-Scream", bei dem McDonald das Publikum selbiges Wort buchstabieren lässt. Bei einer halben Million Zusehern eine sehr imposante Vorstellung.

 

Die zum damaligen Zeitpunkt völlig unbekannte Latino-Rockband Santana betritt die Bühne um 14:00 und hat noch nicht einmal ihr erstes Studioalbum herausgebracht. Dennoch werden sie gefeiert wie kaum eine andere Band des Festivals, obwohl oder vielleicht gerade weil jeder Member einen heftigen LSD-Trip auf der Bühne auslebt. Doch anstatt die musikalische Darbietung zu schwächen, zeigen Aufnahmen wie Persuasion das nicht von dieser Welt zu sein scheinende, virtuose Zusammenspiel der Gruppe. Für viele jedoch die eindrucksvollste Performance des gesamten
Woodstock Music and Arts Fair ist Soul Sacrifice. Der 11minütige, rein instrumentale Track ist auch gekürzt im Film zu sehen und zeigt vor allem dort in fantastischen Schnitten, wie jeder einzelne mit seinem Instrument verschmolzen ist. Seien es Jose Areas und Mike Carabello an den Kongos, die sich ihre Hände wund spielen, der Drummer Michael Shrieve mit einem Grinsen, welches man ohne Zuhilfenahme von Halluzinogenen nicht erreichen könnte, oder Carlos Santana selbst, der laut eigenen Aussagen nicht Gitarre (rechts im Bild mit Bassist David Brown) spielt, sondern eine Schlange in den Händen hält, die versucht, zu entkommen.

John B. Sebastian kommt um 15:30 auf die Bühne, obwohl er eigentlich gar nicht als Act geplant war. Man habe ihn einfach hinter der Bühne gefunden und gebeten, eine weitere Lücke im Programm zu füllen. Sebastian ist laut eigenen Aussagen nicht in der Verfassung, diese Bitte abzulehnen, spielt aber dennoch einen zwar kurzen, aber wundervollen Set, der wohl als Inbegriff von vor Frieden und Liebe triefender Hippiemusik gesehen werden kann. Mit How Have You Been, Rainbows Over Your Blues und I Had a Dream verwandelt er sein High in Musik, leider nicht auf dem Diskset ist Younger Generation, was im Film zu sehen ist. Seine berühmten Worte "Just love everybody all around ya and clean up a little garbage on your way out and everything gonna be alright." werden von der Menge bejubelt.

The Keef Hartley Band ist mit keinem Song im Diskset vertreten. Genau genommen gibt es keinerlei Veröffentlichungen des um 16:45 beginnenden Auftrittes, die offiziell erhältlich sind. Es wird vermutet, dass die Gruppe mit ihrem Auftritt so unzufrieden war, dass sie strikt verweigerte, jegliche Aufnahmen an die Öffentlichkeit zu lassen.
Bob Hite von Canned Heat

The Incredible String Band hätte eigentlich am Freitag auftreten sollen, allerdings verweigerten wegen Regen und spielen gegen 18:00 ihren Set. The Letter sowie When You Find Out Who You Are sind keine schlechten Aufnahmen, doch dem Publikum war nach dem bisherigen, eher sanften Musikprogramm mehr nach härterem Rock, weniger Psychedelic Folk.

Die größten Sympathieträger des Festivals waren höchstwahrscheinlich Canned Heat, die um 19:30 die Bühne betreten. Going up the Country wird oft als offizielle Hymne des Woodstock-Festivals gesehen, auch im Film wird dieser Song als Hintergrundmusik für Aufnahmen der anreisenden Hippies verwendet. Eine beeindruckende Darbietung ist der beinahe halbstündige Woodstock Boogie, auf den eine endlose Applauswand folgt.

Um 21:00 kommt Mountain auf die Bühne und spielt harten Blues Rock für die Zuseher. Bei Titeln wie Blood of the Sun oder dem epochalen Theme for an Imaginary Western ist ein beinahe unbegreiflich, wieso dieser Band nicht mehr Aufmerksamkeit zukam. Nicht zuletzt das fantastische, eigens für das Festival kreierte For Yasgur's Farm wäre wohl bei größerer Aufmerksamkeit eine Hymne geworden.



Jerry Garcia, Bill Kreutzmann (hinten), Bob Weir und Mickey Hart
Es hätte vielleicht ein Jahrhundertsauftritt werden können, als um 22:30 The Grateful Dead ihren Auftritt beginnen. Doch zahlreiche technische Probleme und negative Äußerungen des Frontmanns Jerry Garcia sorgen dafür, dass es jahrelang keinerlei Evidenz für die Vorstellung gab. Erst durch spätere Veröffentlichungen und die fantastische Seite deadlists.com wird immer mehr Material für die Öffentlichkeit zugänglich. Dermaßen brisantes, dass ich mich als großer Fan dieser ikonischen Band gezwungen sehe, einen eigenen Artikel nur über diesen Auftritt zu schreiben. Die "psychedelische Klangreise durch All" a.k.a. Dark Star ist wider aller Erwartungen mehr als fantastisch, man möchte fast nicht glauben, sie stamme von der vermeintlich schrecklichen Woodstock-Performance. Doch lesen Sie dazu bald mehr...

Creedence Clearwater Revival beginnen ihren Set um 0:30. Trotz dem großen Bekanntheitsgrad der Band wurden Aufnahmen des Auftrittes nur sehr spärlich veröffentlicht, Filmauftritt blieb ebenfalls aus. Green River und Bad Moon Rising sind an sich schon grandiose Aufnahmen ohne angebliche Soundprobleme, doch I Put a Spell On You ist geradezu epochal.

Die Hippie-Ikone Janis Joplin stimmt mit ihrer einzigartigen Stimme um 2:00 den ersten Song an. Dieser Auftritt ist es ebenfalls wert, wie jener der Dead in einem eigenen Artikel abgehandelt zu werden. Mit Work Me, Lord sowie Ball And Chain sind beeindruckende Darbietungen auf dem Diskset zu finden.
Roger Daltrey und seine "Fädenweste"

Der Funk-Band Sly & The Family Stone gelingt es, eine ausgelaugte, bekiffte und hungrige Menschenmenge, wie es auch im Film zu sehen ist, um 3:30 zum Singen und Tanzen zu bringen. Ihr Medley: Dance To The Music/Music Lover/I Want To Take You Higher sprüht nahezu von unfassbarer Energie, die vor allem von Sly Stone an die Massen transportiert wird. Eine halbe Million Menschen schreien "Higher!" durch die Nacht - nur bei Woodstock.

The Who spielen ab 5:00 für alle, die noch nicht eingeschlafen sind, in einzigartiger Manier viele ihrer besten Nummern wie auch die weltberühmte Rock-Opera "Tommy", aus der Amazing Journey, Pinball Wizard sowie We're Not Gonna Take It stammen. Kaum vorstellbar, wie es der Band möglich war, um jene unwirtliche Uhrzeit noch derartig kraftvoll zu performen. Doch nicht umsonst gelten sie als eine der besten Live-Bands aller Zeiten.



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