Mittlerweile ist Bethel zum Katastrophengebiet erklärt worden. Außerdem ist die "Woodstock crowd" die bis zum damaligen Zeitpunkt größte Menschenmenge, die sich an einem einzigen Ort versammelt hat. Es gibt hunderte freiwillige Helfer, die unentgeldlich Nahrung austeilen ("We're all feedin' each other... We must be in heaven, man!"), dutzende freiwillige Ärzte, und nicht zuletzt die Armee unterstützt das Festival. Ein für viele beinahe ironischer Umstand, den Richie Havens treffend kommentierte: "We were never antisoldier, we were just against the war.".Doch gegen eine Sache waren alle machtlos: Den vielleicht berühmtesten Gewittersturm der Geschichte. Und den darauf folgenden berühmtesten und größten Schlammrutschwettbewerb der Geschichte.
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| The Jefferson Airplane |
"Alright friends, you have seen the heavy groups, now you will see morning maniac music, believe me, yeah... It's the new dawn! [...] Good morning, people!"
Mit diesen Worten begrüßt die charmante Grace Slicks von Jefferson Airplane "600.000 muddy, stoned, hungry and exhausted fans". Eigentlich war sie mit ihrer Band als Headliner für den Samstag vorgesehen, jedoch spielen sie nun mit der dezenten Verzögerung von 8 Stunden um 8:00 an jenem Morgen. The Other Side Of This Life oder Somebody To Love zeigen sie, dass sie unabhängig jedweder Uhrzeit mit voller Energie spielen können. Aber auch Won't You Try/Saturday Afternoon klingt fantastisch, und Volunteers wird eine weitere revolutionäre Hymne gegen den Krieg.
Damit das Publikum kurz zur Ruhe kommen kann, wird eine Pause eingelegt, in der sich jeder "frisch machen" soll. In selbiger werden einige Ansagen gemacht, außerdem hält der Besitzer des Ackers, auf dem das Festival stattfindet, Max Yasgur, seine berühmte Rede: "[...] the important thing that you’ve proven to the world is that [...] a half million young people can get together and have three days of fun and music and have nothing but fun and music, and I – God Bless You for it!”.
Um 14:00 wird wieder Musikgeschichte geschrieben, denn nun betritt Joe Cocker die Bühne. Zwar war er schon damals kein Unbekannter, doch erst sein legendärer Auftritt beim Woodstock-Festival machte ihn weltberühmt. Feelin' Alright und vor allem Let's Go Get Stoned passen perfekt ins Setting. Aber seine Paradenummer, inofiziell DIE Liveperformance schlechthin ist seine Version von With a Little Help From My Friends (Video unten). Kaum ein anderer hat Musik je so intensiv erlebt und weitergegeben, wie Joe Cocker in diesen 8 Minuten. Ohne Zweifel auch die besten Luftgitarrensoli der Geschichte.
Manch einer mag behaupten, Cocker's Performance wäre dermaßen kraftvoll gewesen, dass er das Gewitter ausgelöst habe. Tatsächlich sieht man auch im Film, wie es keine 2 Minuten nach seinem Auftritt von einem recht blauen Himmel zu Regen wechselt. In der Aufnahme The Rainstorm hört man den Sturm, die Versuche, das Equipment zu schützen, den Ansager, der versucht, das Publikum zu beruhigen, "no rain"-Rufe,... und ein Mädchen aus dem Publikum, die es auf den Punkt bringt: "Joe Cocker! Isn't the rain beautiful?"
Es dauert bis 18:30, als Country Joe & The Fish endlich auftreten können. Country Joe McDonald selbst war schon samstags allein aufgetreten, nun war er mit seiner Band an der Reihe. Rock & Soul Music ist aufgrund seiner Präsenz im Film sehr bekannt. Love, Not So Sweet Martha Lorraine, Summer Dresses sowie Silver & Gold sind einzigartige Titel des Psychedelic Rock. Für mich eine Perle bleibt aber Rock & Soul Musik (Reprise). Die 12-minütige Nummer strotzt vor Experimentier- und Jamfreude und zeigt, dass diese Band viel mehr internationale Aufmerksamkeit verdient hätte.
Eine wahre Enttäuschung ist meines Erachtes das Fehlen von Ten Years After, die um 20:15 ihren Set begannen, auf dem Diskset. Offizielle Aussagen nennen einen Streit um die Rechte als Grund. Sehr schade, da I'm Going Home zu den besten Performances bei Woodstock gehört und auch im Film zu sehen ist.
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| Johnny Winter |
Das Fehlen des Auftrittes von The Band um 22:00 hat andere Ursachen: Die Band gewann durch ihre Kooperation mit Bob Dylan, der auch als ihr Mentor fungierte, an Popularität. Selbiger war zum damaligen Zeitpunkt seit seinem Motorradunfall '66 nicht mehr aufgetreten, und da er nicht weit von Woodstock entfernt wohnt, erwarten sich einige Zuseher einen Überraschungsauftritt Dylans, was sie während des Sets von The Band auch lautstark bekundigen. Das hat insgesamt einen negativen Einfluss auf die Stimmung, weswegen die Aufnahmen unter Verschluss bleiben. Einige wurden jedoch inoffiziell veröffentlicht und zeigen, dass es nichtsdestotrotz ein guter Auftritt war.
Johnny Winter erscheint um 24:00 auf der Bühne. Der legendäre Albino-Bluesgitarrist spielt einen kraftvollen Set mit genialen Soli, wie Leland Mississippi Blues und das fantastische Mean Town Blues zeigen. Trotz dieser "electrifying" Performance bleibt ihm eine Präsenz im Film verwehrt, da die Macher meinten, sie sei "zu merkwürdig" gewesen.
Um 1:30 führen Blood, Sweat & Tears das Programm fort. Obwohl deren Saxophonist Fred Lipsius sich im Nachhinein kritisch gegenüber der Qualität des Auftrittes äußerte, ist You've Made Me So Very Happy eine gelungene Darbietung.
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| Neil Young, David Crosby, Graham Nash & Steven Stills |
Crosby, Stills & Nash (& Young) waren eine brandneue Band, obwohl sich jeder Musiker schon mit anderen Band einen Namen gemacht hatte. Sie betreten die Bühne um 3:00 und spielen vor der riesigen Menge ihren zweiten (!) gemeinsamen Gig. Es ist der Anfang einer unglaublichen Karriere, die bis zum heutigen Tag andauert. Sie spielen einen akkustischen Set ohne Neil Young, aus diesem kommen Suite: Judy Blue Eyes (im Film zu sehen), Guinnevere, Marrakech Express sowie 4+20, allesamt fantastisch gespielt und mit viel Beifall anerkannt. Aus dem elektrischen Set mit Young gehen Sea Of Madness sowie eine weitere Hymne, Wooden Ships, hervor.



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